Ist das Bedingungslose Grundeinkommen finanzierbar??

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Ist das Bedingungslose Grundeinkommen finanzierbar??

Beitragvon Diddi » Di 4. Nov 2014, 13:44

Tag!

Ich verfolge seit Neustem die Diskussionen zum Bedingungslosen Grundeinkommen. Erstmal keine schlechte Idee wie ich finde. Jeder hat Geld. Keiner ist arm. Jetzt frage ich mich aber, wie das Ganze dann finanziert wird? Was wird die Folge des Gruneinkommens sein? Arbeitet dann keiner mehr und wenn dem so ist, wer macht dann die Arbeit? Wie hoch sollte das Grundeinkommen sein, damit es nicht nur finanzierbar ist sondern auch reicht? Fragen über Fragen. Vor allem: Erleben wir die Einführung von sowas noch und wenn ja, wird sowas weltweite eingeführt? In Afrika ja wohl kaum...

Ich freu mich auf DIskussionen mit euch!
Diddi
 
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Re: Ist das Bedingungslose Grundeinkommen finanzierbar??

Beitragvon kingster » So 9. Nov 2014, 13:01

Spannendes Thema! Habe in den vergangenen Jahren immer mal Artikel dazu verfolgt. Halte eher nichts davon. Ich denke das pendelt sich nach einer Weile so ein, dass die X Euro, die jeder bekommt, eben wie Null gewertet werden. Es wird eine so starke Inflation geben, dass eben alles so teuer ist und es wieder so ist, als hätte jeder von Grund auf kein Geld. Meine Theorie... Habe ich so in der Form nicht gelesen - bin im Thema aber auch nicht tief drin.

Langfristig wäre das Grundeinkommen aus meiner Sicht also vertane Liebesmüh. Philosophisch wäre die Frage: Wieso sollte jeder Mensch Anspruch auf Geld haben? Macht dann überhaupt noch jemand was? Womit hat er sich verdient gemacht?

Bester Gruß!

PS: Wie es finanzierbar wäre, kann ich Dir so nicht beantworten.
kingster
 

Re: Ist das Bedingungslose Grundeinkommen finanzierbar??

Beitragvon Matthias » So 9. Nov 2014, 18:06

"wie das Ganze dann finanziert wird?"

Es gibt verschiedene Modelle. Die meisten Modelle nehmen an, dass das Grundeinkommen als Lohnsubvention wirkt. Die gesunkenen Lohnkosten werden über Steuern wider abgeschöpft. Am bekanntesten ist das Mehrwertsteuermodell. Dort wird die Lohnkostensenkung über die Mehrwertsteuer wieder abgeschöpft. Des Weiteren werden alle Sozialleistungen bis zur Höhe des Grundeinkommens ersetzt und es fällt Verwaltungsaufwand weg.

"Was wird die Folge des Gruneinkommens sein?"

Wenn jeder ein Grundeinkommen hat, haben wir die Möglichkeit Nein zu sagen. Wir sind finanziell nicht mehr so Abghängig vom Arbeitgeber, vom Lebenspartner oder von den Eltern.

"Arbeitet dann keiner mehr und wenn dem so ist, wer macht dann die Arbeit?" "Macht dann überhaupt noch jemand was?"

Hier empfehle ich, sich mit Motivations- und Arbeitspsychologie zu beschäftigen. z.B. mit der Bedürfnispyramiede nach Maslow. Wer unter Existenzangst steht, kann kaum klar denken oder sinnvoll aktiv werden. Ein Mensch, der sich um seine Grundbedürfnisse nicht mehr sorgen muss, möchte sich selbst verwirklichen und mit anderen Zusammen etwas erreichen.

"Wie hoch sollte das Grundeinkommen sein, damit es nicht nur finanzierbar ist sondern auch reicht?"

Als Ziel werden zwischen 600 und 1500€ diskutiert. Man wird jedoch aus vielen Gründen (Abbau der Sozialverwaltung, bestehende Rentenansprüche) klein anfangen müssen.
Fangen wir z.B. mit ca. 200 € an, können wir das Kindergeld schon mal ersetzen. Alles andere sinkt um den Btrag von 200€. Dann kann das Grundeinkommen langsam steigen bis zu einer Höhe auf die wir uns demokratisch einigen.

"Erleben wir die Einführung von sowas noch? Wird sowas weltweit eingeführt?"

Diese Fragen kann niemand beantworten. Man sieht aber an Ereignissen wie dem Mauerfall, dass ganz plötzlich Dinge geschehen, die man vorher für unmöglich hielt.

"Wieso sollte jeder Mensch Anspruch auf Geld haben? Womit hat er sich verdient gemacht?"

Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben! Für Menschenrechte gibt es keine Bedingungen.
Matthias
 

Re: Ist das Bedingungslose Grundeinkommen finanzierbar??

Beitragvon tanzbär » Di 11. Nov 2014, 12:12

Hallo Matthias.

Du antwortest auf die Frage was dann passieren wird nur sozial. Ich sehe das ähnlich wie Kingster. Was ist mit Inflation? Der Markt wird sich freuen dass jeder mehr Geld erstmal frei verfügbar hat und die Preise werden steigen. Oder nicht? Denke die volkswirtschaftliche Sicht ist hier von absoluter Relevanz!

Freundliche Grüße!
tanzbär
 

Inflation

Beitragvon Matthias Lindemer » Mo 17. Nov 2014, 09:00

Ach die Inflation hatte ich vergessen. Sorry. :roll:

Eine Inflation tritt immer dann auf, wenn mehr Geld in den realwirtschaftlichen Umlauf gebracht wird, als Produkte zum Verkauf stehen. Ob das bei einem Grundeinkommen passiert, kommt auf das Modell an.

Es gibt Modelle, die das Grundeinkommen z.B. durch eine Vermögenssteuer finanzieren wollen. Hierbei würde Geld, das auf Konten von Reichen liegt, in Umlauf gebracht. Das kann zu Inflation führen. Alle hätten mehr Geld, aber die Produkte wären auch teurer. Sollte das passieren blieben die Abhängigkeiten unter den Menschen bestehen und das Grundeinkommen hätte seinen Sinn verfehlt.

Es gibt aber auch Modelle bei denen das Grundeinkommen durch eine höhere Mehrwertsteuer finanziert wird. Es wird also nur das Geld abgeschöpft, das bereits in Umlauf ist. Hierbei gibt es keine Inflation, da nicht mehr Geld in Umlauf gebracht wurde. Zwar verteuert die Steuer die Produkte, aber diese Preiserhöhung wird durch gesunkene Lohnkosten in der Produktion neutralisiert. Der Produktpreis bleibt also gleich.

Man muss hierbei verstehen, dass in keinem der beiden Fälle das Grundeinkommen zu mehr oder weniger Kaufkraft führt. Es wirkt sich nicht auf den materiellen Lebensstandart aus. Wohl aber auf den psychischen und sozialen, da man mehr Freiheit hat, auch mal Nein zu sagen.
Matthias Lindemer
 

Re: Ist das Bedingungslose Grundeinkommen finanzierbar??

Beitragvon tanzbär » Mi 26. Nov 2014, 17:40

Hallo Matthias,

danke für die lange Antwort und entschuldige meine verspätete Antwort.

Wie würde das laufen, wenn das Geld der Reichen in Umlauf gebracht würde? Müsste dann jeder Reiche quasi was abgeben für die Nicht-Reichen? Hätte der Reiche ja wahrscheinlich keine Lust drauf, oder!?

Noch höhere Mehrwertsteuer? Das wäre ja eben das, was ich persönlich befürchten würde. WEIL jeder mehr Geld zur Verfügung hat (also ohne etwas dafür zu tun), steigen die Preise massiv an. Ob steuerbedingt oder nicht, ist ja erst mal egal. Was soll dann passieren? Käse kostet plötzlich 4 Euro pro Packung statt 2? Damit erlangen wir über kurz oder lang ja eben den Zustand, dass jeder gerade so überleben kann - trotz Grundeinkommen. Wenn die Hersteller wissen, dass eh jeder erstmal "viel" zur Verfügung hat, können sie auch von sich aus höhere Preise ansetzen. Ganz abgesehen von Steuererhöhungen. Sollen wir dann irgendwann 30% MwSt oder mehr zahlen?

Wieso wirkt sich das Grundeinkommen nicht auf die Kaufkraft aus? Nehmen wir mal ein Ebay-Kleinanzeigen-Beispiel. Ich will einen Tisch kaufen für 50 Euro. Möchte aber handeln, weil ich nicht viel verdiene und nicht so viel habe. Macht der Verkäufer, zahle ich 30. So. Jetzt habe ich das Grundeinkommen. Möchte auch nur 30 zahlen. Sagt der Verkäufer: Nö, ich weiß ja genau, dass Du mindestens x Euro hast, also zahl mal schön die 50. Die Preise werden also tendenziell höher angesetzt, weil jeder genau vom anderen weiß, dass er minimum x Euro hat. Das könnte die Kaufkraft dann senken.

Freundliche Grüße!
tanzbär
 

Beitragvon KarlOtto » Fr 28. Nov 2014, 02:14

Nicht finanzierbar. Nicht sinnvoll. Meine Meinung.
KarlOtto
 

Re: Ist das Bedingungslose Grundeinkommen finanzierbar??

Beitragvon Matthias » So 30. Nov 2014, 17:57

@Tanzbär.

Im Falle einer Besteuerung der Reichen, müssten die Reichen etwas abgeben. Das hätte viele Negative Auswirkungen. Ich plädiere deshalb für das Mehrwertsteuermodell.

Wie ich versucht habe zu erklären erhöht die Mehrwertsteuer zwar die Preise, aber diese Erhöhung wird durch sinkende Lohnkosten neutralisiert. -> Ein Käse der heute 2€ kostet, kostet auch mit Grundeinkommen 2€.

Das Grundeinkommen wirkt sich deshalb nicht auf die Kaufkraft aus, weil es nicht mehr Geld ist, sondern einen bestehenden Teil des Einkommens ersetzt. Ob ein Verkäufer davon ausgehen kann, dass der Käufer mindestens ALG II erhält oder davon ausgehen kann, dass der Käufer mindestens Grundeinkommen erhält ist für die Preisfindung egal.
Matthias
 

Re: Ist das Bedingungslose Grundeinkommen finanzierbar??

Beitragvon tanzbär » Mo 1. Dez 2014, 11:51

Hallo Matthias,

das kann man so ja nicht übertragen. Wenn wir eine Familie mit 3 Kindern nehmen, haben wir 5 Personen. Wenn jetzt einer davon ALG bekommt, hat er einen Betrag X, der so hoch nicht sein wird. Da kenne ich mich aber auch nicht aus. Wenn wir demgegenüber ein BGE stellen, erhalten die Kinder ja auch Geld. Gehen wir mal von 500 Euro pro Kopf aus, dann wären wir bei 2.500 Euro. Davon geht ja kein Verkäufer aus, wenn nur eine Person in einer Familie ALG bekommt. Klar, Kindergeld und so fällt weg, aber damit kommt man ja eben auch nicht auf 500 Euro pro Kind. Ich denke schon, dass sich das auswirken würde. Du verschiebst die 0-Linie quasi nur langsam nach oben - auf 500 in dem Beispiel. Wer jetzt noch gut verdient, hat ja dann auch einfach mal 500 Euro mehr oben drauf. Steuerfrei. Wieso sollte der Verkäufer genau das nicht abgreifen wollen?

Wieso sinken die Lohnkosten? Das ist mir irgendwie nicht klar...

Ich halte eine Besteuerung der Reichen übrigens auch für abwegig. Wer würde dann noch in Deutschland bleiben?

Ich denke, ein BGE führt zu einem 2-Klassen-System. Einmal hat man die, die nicht mehr haben wollen und mit ihren 500 Euro leben und dann hat man die, die normal arbeiten und damit dann irgendwann vielleicht reich werden.

Was ist mit den Mietpreisen? Die steigen sowieso schon und wenn der Vermieter dann weiß, dass eine Familie wie oben sowieso über 2.500 Euro verfügt, wieso dann nicht den Mietpreis verdoppeln - wenn sie mehr Luxus wollen (Essen, Reisen, etc.) sollen sie halt arbeiten gehen.

Freundliche Grüße!
tanzbär
 

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